Titulus Ehreninschrift für Aristoteles und Kallisthenes

FD III 1,400 = Syll. 3 275. Die pyläisch-delphische Amphiktyonie (?) ehrt Aristoteles und Kallisthenes, zwischen 337 und 334 v. Chr. Das Fragment einer Marmorplatte mit einer Inschrift in stoichedon wurde in einem delphischen Brunnen gefunden.

Die pyläisch-delphische Amphiktyonie (?) ehrt Aristoteles und Kallisthenes für die Erstellung eines Katalogs, in dem die Sieger und die Organisatoren der Pythischen Spiele von Anbeginn an verzeichnet waren. Obwohl Anfang und Ende der Inschrift nicht erhalten sind, geht die Ehrung höchstwahrscheinlich von der Amphiktyonie (und nicht von der Stadt der Delphier) aus, denn in dem Beschluss werden die Schatzmeister der Amphiktyonie angewiesen, für die Publikation der Ehrung zu sorgen (Z. 9–13). Dass sich unter den Werken des Aristoteles, wie Plutarch, Diogenes Laërtius, Hesychios und Pindar-Scholien überliefern, eine Liste der Pythioniken befand (fr. 615–617 Rose3), wird durch unsere Inschrift bestätigt. Darüber hinaus erfahren wir aus der Inschrift, dass Kallisthenes, später zunächst Hofhistoriker und dann Opfer Alexanders des Großen, außerdem ein Verwandter und Schüler des Aristoteles, mit diesem in Delphi zusammenarbeitete, dass der Katalog sich nicht nur auf die Sieger, sondern auch auf die Agonotheten bezog und dass die Amphiktyonie die beiden Autoren mit einer (zu dieser Zeit seltenen) Ehreninschrift auszeichnete. Die Inschrift selbst erlaubt eine Datierung zwischen dem Jahr 337/6, in dem das Amt der Schatzmeister der Amphiktyonie eingerichtet wurde (CID 2,74. 4,9), und dem Jahr 327/6, in dem Zahlungen an die Steinmetzen für die Herstellung der Liste erstmals epigraphisch erwähnt wurden. Unter Hinzuziehung der bekannten biographischen Daten von Aristoteles, der sich ab 335/4 in Athen aufhielt und dort seine eigene Schule leitete, und besonders von Kallisthenes, der ab 334 Alexander den Großen auf seinem Asienfeldzug begleitete, lässt sich dieser Zeitraum auf die Jahre 337 bis 334 einengen. Nach Aelian (VH 14,1) wurden Aristoteles’ Ehrungen in Delphi später zurückgenommen; daher ist es wahrscheinlich, dass die Marmorplatte mit der Inschrift nach Alexanders Tod zerstört und das erhaltene Fragment in den Brunnen geworfen wurde. Edition der Inschrift mit Übersetzung und Kommentar: P. J. Rhodes – R. Osborne, Greek Historical Inscriptions 404–323 BC, Oxford 2003, no. 80, 392–395 (englisch); A. Jacquemin – D. Mulliez – G. Rougemont, Choix d’inscriptions de Delphes, traduites et commentées, Paris – Athen 2012, no. 49, 115f. (französisch).

Text: Prof. Dr. Kai Trampedach