Titulus Athenischer Volksbeschluss über die Kleruchie auf Salamis

IG I 3 1 + Add. p. 935 = AIO 1672. Athenischer Volksbeschluss über die Kleruchie auf Salamis, 508–500 v. Chr. (?). Möglicherweise frühester epigraphisch erhaltener Volksbeschluss aus Athen. Foto: J. Kirchner, Imagines Inscriptionum Atticarum, Berlin 1935, Tafel 6, Nr. 12.

Die insgesamt sieben erhaltenen Fragmente des marmornen Pfeilers wurden auf der Akropolis gefunden und werden heute im Epigraphischen Museum Athen aufbewahrt (EM 6798, 6815, 12936, 13500). Das nach oben verjüngte Monument war ursprünglich so aufgestellt, dass die Zeilen senkrecht von oben nach unten verliefen. Die Inschrift ist ästhetisch ansprechend in attischen Buchstabenformen und in einer ungewöhnlichen Kombination aus stoichedon und plinthedon abgefasst. Bedeutend ist das Dokument aus zwei Gründen: Erstens handelt es sich möglicherweise um den frühesten epigraphisch erhaltenen Volksbeschluss aus Athen. Während diese Inschrift in das ausgehende 6. Jh. v. Chr. zu datieren ist, scheinen Beschlüsse der politischen Organe Athens erst ab der Mitte des 5. Jh. v. Chr. regelmäßig auf Stein publiziert worden zu sein (vgl. dazu K. Trampedach, Stelen vor dem Parthenon. Die Entstehung der besonderen Inschriftenkultur Athens, in, U. Gotter – E. P. Sioumpara (Hrsg.), Identität aus Stein. Die Athener Akropolis und ihre Stadt (Xenia 55), München 2022, 53–66). Zweitens bezeugt die Inschrift sehr wahrscheinlich die Existenz einer athenischen Kleruchie auf Salamis, was zugleich einer der frühesten Belege für diese Siedlungsform überhaupt wäre. Kleruchien waren athenische Kolonien, deren Einwohner das athenische Bürgerrecht behielten. Im Zuge der athenischen Hegemonialpolitik erlangten Kleruchien im 5. und 4. Jh. v. Chr. große Bedeutung. Weiterführend zu dem Monument und seinen historischen Hintergründen vgl. mit Edition, Übersetzung und ausführlichem Kommentar den Eintrag der Inschrift in AIO.

Text: Dr. Nicolai Futás