Titulus Altar der Chier für Apollon aus Delphi
FD III 3,212 + 213 = Syll.3 19. Die Inschriften auf dem Altar im Apollon-Heiligtum von Delphi, letztes Drittel 4. Jh v. Chr. (?): „Die Chier weihen dem Apollon den Altar“ – „Die Delphier haben den Chiern die promanteia verliehen“.
Die Inschriften auf dem von den Chiern gestifteten Altar im Apollon-Heiligtum von Delphi befinden sich auf dem marmornen Gesims sowie auf dem Sockel des Altars. Vermutlich gehören beide Inschriften zusammen, dergestalt, dass die Delphier den Chiern die Promantie aus Dank für die Errichtung des monumentalen Altars verliehen haben. Mit der promanteia konnten die Delphier besonders wichtigen oder hilfreichen oder großzügigen Einzelpersonen oder Staaten das Privileg verleihen, das Orakel vorrangig und zu gleichen Bedingungen wie sie selbst zu befragen. Schon Herodot hat in Delphi den großen Altar des Gottes gesehen, „den die Chier gestiftet haben, dem Tempel gerade gegenüber“ (2,135,4). Allerdings stammen die Inschriften in der Form, wie wir sie heute auf dem Altar lesen, mit Sicherheit aus einer Zeit nach Herodot. Nach Ansicht der französischen Herausgeber ist der Stil der Inschriften inkohärent, so dass eine Datierung nach der Schriftform kaum möglich erscheint. Daher gibt allein die archäologische Forschung einen Anhaltspunkt. Demnach wurde der Altar wie der Tempel, zu dem er gehört, im 4. Jh. v. Chr. rekonstruiert, und zwar nach diesem, vermutlich im letzten Drittel des 4. Jh. In diesem Zusammenhang hat man vielleicht versucht, die Inschriften, die der alte, vermutlich am Ende des 6. Jh. v. Chr. errichtete und von Herodot gesehene Altar trug, nachzuahmen. Solche Inschriftenkopien oder Wiederbeschriftungen sind in der antiken Epigraphik, ob in Delphi oder andernorts, kein seltenes Phänomen. Edition der Inschrift mit französischer Übersetzung und Kommentar: A. Jacquemin – D. Mulliez – G. Rougemont, Choix d’inscriptions de Delphes, traduites et commentées, Paris – Athen 2012, no. 57 et 58, 121f.
Text: Prof. Dr. Kai Trampedach
